von Catherina Merx

Spinat (Foto: Heidi Lorey)
Lange bevor Spinacia oleracea vom Vorderen Orient aus unsere Gärten eroberte, war die Ära der Gartenmelde, begleitet durch den Guten Heinrich und den Roten Meyer, gefolgt von Erdbeerspinat und Mangold. Seit dem späten Mittelalter existierten sie gemeinsam und gleichwertig nebeneinanderher in den Gärten, bis im 20. Jahrhundert der Spinat endgültig seinen Siegeszug antrat. Er setzte sich gegenüber seinen „Brüdern“ durch, aufgrund seiner vermeintlich wertvolleren Inhaltsstoffe, des zarten Blattes, seiner kurzen Kulturdauer und nicht zuletzt wegen der Mechanisierbarkeit seiner Ernte. Doch es muß auch heutzutage nicht immer Spinacia sein!

Guter Heinrich (Foto: Heidi Lorey)
Mangold wiederentdeckt
Denn obwohl einige dieser Blattgemüse in Vergessenheit geraten und vom Spinat verdrängt worden sind, ganz verschwunden sind sie nicht und können mit ihrer bunten Vielfalt Garten und Küche bereichern. Manche von ihnen, wie der Mangold, werden seit einiger Zeit kulinarisch und für den Hausgarten wiederentdeckt. Schon in frühgeschichtlichen Zeiten kochten unsere Vorfahren Blätter als Gemüse, darunter viele Wildpflanzen wie Brennessel und Ampfer. Das Kochen verbesserte die Verdaulichkeit der Blätter und damit die Ernährungssituation insgesamt.
Der Gute Heinrich
Eine in Mitteleuropa heimische Wildpflanze ist der Gute Heinrich (Chenopodium bonus-henricus), der auch in Gärten kultiviert wurde und dessen Blätter oder gebleichte Triebe im frühen Frühjahr gekocht gegessen werden können. Als Vitamin-C- und eisenhaltiges Gemüse ist er bestens geeignet, die Lebensgeister im Frühling zu wecken, während er im Sommer wegen seines dann hohen Oxalsäuregehaltes nicht mehr geerntet werden sollte.
Heinrich war ein Kobold
Als mehrjährige Staude braucht die Pflanze sowieso eine Erntepause, damit sie genügend Kraft für den Winter sammeln kann. Einmal im Garten angesiedelt, ist Guter Heinrich ziemlich pflegeleicht, freut sich aber über Nährstoffgaben und einen eher feuchten Boden. Sein Name lässt Geschichten vermuten und es gibt sie auch: Der Name Heinrich bedeutet auch Heinzelmann, eine Bezeichnung für einen guten Kobold. Und da die Menschen in früheren Zeiten Pflanzen bestimmten Wesen zuordneten, glaubten sie beim Guten Heinrich, der oft in der Nähe von Siedlungen mit Viehhaltung wuchs, dass ein guter Kobold darin wohne, welcher des Nachts im Haushalt helfe, Brot backe und Geschirr abwasche. Diese Zuweisung hängt vermutlich auch mit der Verwendung als Heilpflanze zusammen, denn die Blätter wurden für heilende Umschläge bei Wunden verwendet. Es ist überliefert, dass der Kobold Gänsefüße habe, und wenn Sie sich einmal die Blattform dieser Pflanze anschauen, erkennen Sie, weshalb. Natürlich kann Guter Heinrich auch wild vom Naturstandort gesammelt werden, wie beispielsweise im Allgäu. Allerdings sind die Pflanzen am Wildstandort viel kleiner als im Gartenbeet und so lohnt es sich, ein paar Stauden in den Hausgarten zu pflanzen. Und wer weiß, vielleicht macht er seinem Namen dort alle Ehre.

Gartenmelde (Foto: Renate Düring)
Die Römer brachten die Gartenmelde
Im besetzten Germanien bauten die Römer bereits vor 2.000 Jahren die Gartenmelde (Atriplex hortensis) an, welche sich über die Jahrhunderte zu einem regelmäßig genutzten Blattgemüse etablierte. Die heutzutage fast völlig vergessene Pflanze überlebte dank einiger engagierter Liebhaber und Saatgutinitiativen sogar in vier unterschiedlichen Farbvariationen: grün, purpurrot, gelb und grün-rot panaschiert. Ähnlich wie Spinat ist sie schnellwachsend und daher als Vor- oder Nachkultur geeignet, außerdem ziemlich anspruchslos. Im Vergleich zum Spinat hat sie nur ein kurzes Rosettenstadium und schießt schon sehr bald in die Höhe, wobei sie eine Länge von 200 cm erreichen kann, wenn sie nicht beerntet wird. Bei fortlaufender Ernte bilden sich immer wieder junge Triebe, die gepflückt werden können. So geerntet ermöglicht die Melde einen deutlich höheren Ertrag und eine längere Ernteperiode als der Spinat. Da die Melde deutlich weniger Oxalsäure enthält als der Spinat, kann sie auch noch geerntet werden, wenn sie in die Höhe schießt und die Temperaturen schon sommerlich werden. Die zartesten, schmackhaftesten Blätter liefern allerdings jüngere Pflanzen, weshalb sich ein gestaffelter Anbau ab April in 3–4 Sätzen mit einer Anbaupause im Hochsommer empfiehlt. Dank der verschiedenen Farbvarianten ist die Gartenmelde auch optisch ein Genuss. Der Anbau ist denkbar einfach: Ab Anfang April werden die Samen direkt in Reihen mit Abstand von 30 cm gesät. Sollten sie zu dicht keimen, ist auf Abstände von 10 cm in der Reihe auszudünnen. Die letzte Aussaat kann bis Ende August erfolgen. Die Pflanzen vertragen leichte Fröste. Die wilde Melde (Atriplex patula) ist übrigens keine verwilderte Gartenmelde, sondern eine andere Art, auch wenn sie genauso essbar und ähnlich im Geschmack ist. Erwähnt sei hier noch die aus Südamerika stammende Reismelde, auch Quinoa genannt, die durch die Nutzung ihrer Samen in der Küche bekannter ist. Sie lässt sich aber genauso, wie die Gartenmelde, zur Blattnutzung anbauen, wächst bei uns auch, ihr Anbau ist hier jedoch noch weitgehend unüblich.

Erdbeerspinat (Foto: Eveline Renell)
Erdbeerspinat
Wahrscheinlich etwas später als die Gartenmelde und längst nicht so verbreitet gelangte der Echte Erdbeerspinat (Blitum virgatum) nach Mitteleuropa. Angebaut wurde er für seine Blätter, auch wenn die hübschen erdbeerähnlichen Früchte anderes vermuten lassen. Sie sind zwar ebenfalls essbar, aber enttäuschen, wenn eine süße Frucht mit leckerem Erdbeeraroma erwartet wird. Als junge Pflanze liefert Erdbeerspinat ein zartes und gutes Spinatgemüse und kann ebenfalls mehrmals beerntet werden. Lässt man die Pflanzen bis zur Fruchtbildung stehen, zeigt sich ihr hoher dekorativer Wert.
Der Meyer muss früh gegessen werden
Einen ähnlichen Stellenwert hatte der Meyer (Amaranthus lividus), von dem es eine grüne und eine rote Variante gibt. Da er keine Rosetten und deutlich kleinere Blätter als Spinat, Mangold oder Gartenmelde bildet, spielte er immer eine untergeordnete Rolle. Allerdings ist er sehr genügsam und wächst auch auf eher mageren und trockenen Böden. Außerdem bietet er sich für die Hochsommerlücke an, denn im Gegensatz zu den bisher genannten Spinatalternativen bildet der Meyer keine Oxalsäure. Verwandt ist das ursprünglich im Mittelmeerraum heimische Kraut mit einem bei uns als Fuchsschwanz (A. retroflexus) bekannten Beikraut, das ebenfalls essbar ist. Da alle Amaranth-Arten Tausende von Samen allein an einer Pflanze bilden, sollten Sie den Meyer nicht zur Samenreife kommen lassen, sondern vorher aufessen – wenn Sie nicht möchten, dass in den folgenden Jahren dort immer wieder Meyerpflanzen keimen.

Blattmangold (Foto: Karen Engelke)
Lecker Lucullus!
Neben dem echten Spinat ist wohl der Mangold (Beta vulgaris subsp. vulgaris) das Blattgemüse, dessen Anbau bis ins 19. Jahrhundert den größten Stellenwert hatte, bevor er für einige Zeit aus den Gärten (und Kochtöpfen) verschwand. In den vergangenen zwei Jahrzehnten erlebte er aber eine regelrechte Renaissance. Bekannt dürfte den meisten vor allem die Variante mit einem eher derben, dunkelgrünen Blatt und dicken weißen Stiel sein, der sogenannte Stielmangold (Beta vulgaris subsp. vulgaris, Flavescens-Gruppe). Da diese Variante nach der Ernte relativ lange frisch bleibt, eignet sie sich besonders für kommerziellen Anbau und Vermarktung. Weniger bekannt ist der Blattmangold (Beta vulgaris subsp. vulgaris, CiclaGruppe) mit dünnen Blattstielen und zarten Blättern, in der Konsistenz ähnlich wie Spinat. In meinen Anfängen als Gärtnerin baute ich zunächst mit Begeisterung die bunten Sorten des Stielmangolds an, mit so großem Erfolg, dass wir es einfach nicht schafften, ihn aufzuessen und seiner bald überdrüssig waren. Das lag auch an der eher derben Blattstruktur, wodurch die Blätter beim Kochen nicht so zart zerfallen wie beim Spinat und gerade die roten Sorten einen eher herben Geschmack aufweisen. Als ich Jahre später die Blattmangoldsorte ‘Lucullus’ kennenlernte, versöhnte ich mich mit dem Mangold: Der Geschmack ist angenehm mild und die Konsistenz zart. Aber das ist natürlich abhängig von Zubereitung und persönlicher Vorliebe. Auf jeden Fall begeistern die bunten Varianten mit ihren wunderschönen Farben im Garten und auf dem Teller! Allgemein gilt für Anbau und Nutzung von Mangold: Er wird im April direkt ins Beet gesät und nach der Keimung vereinzelt. Das Vereinzeln ist wichtig, damit sich die Pflanzen jeweils voll entwickeln können. Bei Stielmangold sollte der Abstand 40 cm betragen, bei Blattmangold 20–30 cm. Außer regelmäßigem Hacken sind keine weiteren Pflegemaßnahmen nötig. Bei beiden Formen kann die Ernte ab dem 6-Blatt-Stadium beginnen, entweder als Einzelblatternte von außen oder durch Schnitt der ganzen Rosette. Bleibt bei der Ernte das Herz unverletzt, kann der Mangold über den ganzen Sommer weiterwachsen und fortlaufend beerntet werden. Im Gegensatz zu den anderen vorgestellten Blattgemüsearten blüht er erst im zweiten Jahr. Er kann sogar im zweiten Frühling vor der Blüte nochmals beerntet werden. Den Winter überdauert er dank einer dicken Speicherrübe, an der sich die Verwandtschaft zu Rote Bete und Zuckerrübe ablesen lässt. Dabei sind die grünen Sorten deutlich winterhärter, nur bei starken Kahlfrösten droht eine Auswinterung. Die Samengewinnung ist denkbar einfach: Nach der Blüte entwickeln sich die knäuelartigen Samenstände, die im Herbst geerntet werden. Die Samen sind mehrere Jahre lang keimfähig.
Der Neuseeländerspinat als Alternative
Alle bisher vorgestellten Spinatvarianten sind miteinander verwandt und gehören zur Familie der Fuchsschwanzgewächse (Amaranthaceae). Ein weiteres, bei uns noch nicht lange bekanntes Blattgemüse, das den Spinat sogar im Namen trägt, ist der Neuseeländerspinat (Tetragonia tetragonoides), welcher der Familie der Mittagsblumengewächse (Aizoaceae) angehört. Der Name verrät die Herkunft der Pflanze, die auch in Mitteleuropa sehr gut gedeiht. Die Pflanzen sind überaus ergiebig, zwar etwas langsam in der Jugendentwicklung, überwuchern sie bald mehrere Quadratmeter im Garten. Dementsprechend ist auch der Ertrag vergleichsweise gut. Außerdem ist Neuseeländerspinat mehrmals beerntbar, was ihn zu einer interessanten Alternative macht. Der Geschmack ähnelt dem des echten Spinats.
Gemeinsam ist diesen Spinatvarianten der relativ hohe Vitamin-C-, Eisen- und Calciumgehalt, was sie zu nicht nur schmackhaften, sondern auch gesunden Nahrungsmitteln macht. Wer jetzt gerne Rezepte hätte, nutze einfach jedes beliebige für Spinat. Die Gemüse sind hierbei austauschbar.
Samen von allen hier vorgestellten Arten sind im Handel erhältlich und da der Anbau leicht gelingt, sollte dem Experimentieren nichts im Wege stehen.
Kontakt: Catherina Merx, cmerx@uni-kassel.de